Als Schausteller ziehen die Ich-Erzählerin Judith und ihr Großvater Popp nomadengleich durch den Süden, klappern mit ihrer schrulligen Achterbahn einen vorstädtischen Rummelplatz nach dem anderen ab und lassen mit jedem einzelnen Aufbruch vermeintlich alles Vergangene hinter sich. Als sie auf einer Raststätte die junge Lil auflesen und mit auf ihre Tour durch Frankreich und Spanien nehmen, wird ihre Reise zu einer Odyssee mit unerwarteten Folgen. Gestrandet an einer Tankstelle im spanischen Nirgendwo müssen sie sich schließlich ihren Ängsten und Sehnsüchten stellen – Popp, auf der Flucht vor dem geschäftlichen Ruin, träumt vom Soul Lifter, einer Achterbahn der Superlative. Lil, auf der Flucht vor ihrem Mann, träumt von einem neuen Leben mit dem Tankstellenpächter Daniel und seinen beiden Kindern. Judith träumt von Lil. Und wie der liebestolle Pfau, in seiner unerfüllten Leidenschaft für eine Benzinzapfsäule krank und flügellahm geworden, müssen auch sie schmerzhaft erkennen, dass Träume teuer zu stehen kommen können.
Sylvia Geist schildert in ihrer Novelle in eindrucksstarken und lebendigen Bildern das Scheitern von möglich geglaubten Zukünften am Ballast der eigenen Geschichte; sie erzählt darin vom Geliebtwerdenwollen und Liebenmüssen, von Zufall, Verblendung und Verdrängung und erstellt in präzisen Worten eine Kartographie unbewältigter Vergangenheiten, die so bedeutungsvoll wie trügerisch sind.
“Lil wird sterben – das erfahren wir bereits im ersten Satz, und wie es dazu kommt, entfaltet sich im Verlauf des schmalen Bandes, dessen subtile Faszination mit der unerhörten Begebenheit zu tun hat, aber noch stärker mit dem Sein dieser Personen. Sylvia Geist gelingt es, ihren Wesen, deren Vergangenheit nur knapp dargelegt wird, Existenz zu geben, Dasein. Es geht eine seltsame Stille von ihnen aus und eine berührende Tiefe.” (Volltext)
“In dem schmalen Band verbirgt sich eine große Geschichte über das Unbehaustsein. (…) Niemand in der Geschichte hat ein wirkliches Zuhause. Aber alle haben eine Heimat in diesem Text. Auch die Autorin. Ein kleines, großes Buch.” (Hannoversche Allgemeine Zeitung)
“Mit klarem Blick für Katastrophen zeigt Der Pfau, wie Lebensträume jäh in ihr Gegenteil umschlagen können.” (Kulturspiegel)
Sylvia Geist, geb. 1963 in Berlin, Studium der Chemie, dann der Germanistik und Kunstgeschichte an der TU Berlin. Von ihr erschienen Gedichtbände sowie Herausgaben. Für ihre Lyrik wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Lyrikpreis Meran 2002 (mit Oswald Egger), einem Stipendium im Künstlerhaus Edenkoben 2006, der Ehrengabe der Schillerstiftung 2008, dem Stipendium des Kunstfördervereins Donnersbergkreis 2010, sowie dem Aufenthaltsstipendium der Stiftung kunst:raum syltquelle. Sylvia Geist lebt als freie Autorin in Hannover. www.sylviageist.de
Titel bei Luftschacht: Letzte Freunde (Erzählungen, 2011), Vor dem Wetter (Gedichte, 2009), Der Pfau (Novelle, 2008)
As carnies, Judith and her grandfather Popp travel through the south, touring suburban fairgrounds with their quirky rollercoaster and with each departure purporting to leave everything past behind them.
Having picked up the young Lil, their journey becomes an odyssey. At a petrol station in the middle of nowhere in Spain they finally have to face their fears and desires – Popp, fleeing financial ruin, dreams of a top class rollercoaster. Lil, on the run from her husband, dreams of a new life with the owner of the petrol station, and Judith is dreaming of Lil.