Frühlingsprogramm 2021

Mit Moby Dick hat Herman Melville Weltliteratur geschaffen, Bartleby der Schreiber und Billy Budd, wie wären sie wegzudenken? Kaum zu glauben, dass der Autor zu Lebzeiten – nach anfänglichen Achtungserfolgen – kaum mehr beachtet, ja tatsächlich auch für verrückt erklärt wurde und dass sein lyrisches Werk bis heute sogar in den USA mehr oder weniger unbekannt bleibt. Als er sich 1866 mit Battle Pieces nach zehn Jahren literarischen Schweigens wieder zu Wort meldet, wird das kaum wahrgenommen. Jetzt liegt dieser sprachmächtige Gedichtezyklus zum Trauma des amerikanischen Bürgerkriegs unter dem Titel Schlacht-Stücke erstmals in einer kommentierten und hochwertig ausgestatteten Ausgabe auf Deutsch vor und gewinnt vor der Kulisse jüngster Ereignisse in den USA nochmal deutlich an Relevanz.
Mit Anna Felnhofer meldet sich eine neue literarische Stimme aus Österreich zu Wort: In vier Abschnitten skizziert die promovierte Psychologin in ihrem Debüt Schnittbild vier unterschiedliche Leben, deren verbindendes Element die Hauptfigur der vierten Episode ist, eine Therapeutin, die mit allen Protagonist*innen in Bezug steht. In behutsam gesetzter Sprache schildert Felnhofer Grenzüberschreitungen, die zu Verlust und Verlorenheit führen und zeichnet auch in der inhaltlichen Gestaltung der in sich abgeschlossenen Geschichten den Verlauf einer therapeutischen Beziehung nach.
Einmal mehr entpuppt sich Dennis Cooper als stilistisch wie auch inhaltlich unerbittlicher Autor und Moralist. In Die Schlampen entfacht er vor dem Hintergrund einer Dating-Plattform einen wahren Wirbelsturm an Lügen und Behauptungen, verwischt Identitäten und stellt die großen Fragen: Was ist Wahrheit? Was ist Fiktion?
Als Sundays Vater an Krebs stirbt, beginnt seine Tochter alles von ihm aufzunehmen und in einen Computervirus einzuschreiben: Der Vater soll ewig leben. Joey Comeau hat mit Malagash ein ebenso komisches wie herzzereißendes Buch über das Sterben und die Vergänglichkeit im digitalen Zeitalter geschrieben.
Wo waren wir, bevor wir geboren wurden (und wo gehen wir nach dem Tode hin?)? fragt sich der zweite kanadische Autor Oisín Curran. In Wenn ich jetzt nicht weine steht ein elfjähriger Junge im Mittelpunkt, der in einer Art Trancezustand die fantastische Geschichte eines früheren Lebens spinnt, als Mittel zum Verständnis seiner ihn aktuell umgebenden Welt.
Viel Hände gewaschen in letzter Zeit? Ja, das ist schon alles sehr mühsam. Allerdings für beide Seiten. Die in Wien lebende Schweizer Künstlerin Pascale Osterwalder beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit verquetschten und tropfenden Seifenspendern und erzählt in ihrem Comic Daily Soap mit knappen Texten und eindrücklichen Bleistiftzeichnungen von problematischen Arbeitsbedingungen in Nasszellen, damit einhergehender innerer Leere und ist wohl näher an unser aller Innenleben dran, als man vielleicht wahrhaben möchte.
Fröhlicher und auch farbenfroher geht es da bei Verena Hochleitner auf einem Spaziergang im Wiener Augarten zu, entpuppt sich die große getupfte Katze doch eindeutig als Der Schneeleopard, auch wenn die Erwachsenen wieder mal nichts davon wissen wollen und lieber auf ihrem Handy herumwischen. Abenteuer mit Großkatzen kann man als tapferes Mädchen auch locker alleine bestehen, da braucht man den faden Kleinmut der Großen sowieso nicht unbedingt.

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