2015 ist Giuliano Musios Debüt-Roman Scheinwerfen bei Luftschacht erschienen. Jetzt ist der Autor für seinen zweiten Roman Wirbellos sowohl mit einem Literaturpreis des Kanton Bern als auch mit dem mit 10.000 CHF dotierten Kurt-Marti-Preis ausgezeichnet worden.
Die zweite Auflage von Wirbellos erscheint ca. Mitte November 2020.
Aus der Laudatio zum Kurt-Marti-Preis:
Schon der erste Satz von ‘Wirbellos’ ist ein Paukenschlag: “Einen Tag nach seinem Selbstmordversuch hatte Martin ein Vorstellungsgespräch.” Lesend denkt man: Bei dem Gespräch wird dieser Martin lügen müssen; und ist schon beim Hauptthema des Buchs: der Verstellung.
Schon Martins Geburt beginnt mit einer Art Lüge. Man nennt ihn Martin, obwohl der zuvor verstorbene Bruder ebenso hieß. Martin ist also nicht der richtige Martin, sondern nur eine Kopie; ihm ist die Verstellung, das Nicht-echt-Sein existenziell eingeschrieben.
Die Irreführung des Lesers beherrscht auch Giuliano Musio virtuos. Er durchbricht mit überraschenden Wendungen die Lesererwartungen; trotzdem bleibt die Geschichte stets schlüssig.
Vor allem aber sind die Figuren – auch alle Nebenfiguren – aus Fleisch und Blut, mit ganz individuellen Vergangenheiten und seelischen Narben.
Musio trainiert das Facettenauge von uns Lesenden. Jedes der unzähligen Einzelaugen sieht ein eigenes Bild. Lesend setzen wir die Bilder zusammen – zu einer Welt voller Farbe, voller Tiefenschärfe, voller Schuld, Reue und Empathie.
Der Autor zeigt, wie existenziell Ausreden sein können, aber auch, wie wahrhaftig und tröstlich Literatur, die den Ausreden entspringt.
‘Wirbellos’ ist ein vielschichtiger Roman, der ein weites Feld aufspannt von Realitätstreue und Fantastik, von ernsthaft philosophischen Fragen zu witzigen, tragikomischen Episoden.
Musios Fabulierlust deckt nie die zentralen Fragen zu: Was heißt es heute, echt und authentisch zu sein? Ist es möglich, ein Lügner und ein guter Mensch gleichzeitig zu sein?
> Bericht der Berner Zeitung zum Kurt-Marti-Preis
Foto Giuliano Musio: Anders Stoos
Buchgestaltung und Fotos Buch: Matthias Kronfuss studio