Herbstprogram 2022

In den USA zählt Jesse Ball längst zu den aufregendsten Autoren seiner Generation, er hat 16 Bücher geschrieben und ist in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt worden, bislang gab es kein Buch von ihm auf Deutsch. Das ändert sich jetzt mit Zensus, einem berührenden Road Trip, in dem ein todkranker Vater mit seinem Sohn, einem Jungen mit Down-Syndrom, für eine Volkszählung durchs Land fährt. Unterschiedlich werden die beiden von den Menschen aufgenommen und für den Vater stellt sich immer drängender die Frage, wie er sich von seinem geliebten Sohn verabschieden soll. Ein liebevolles, tröstliches Buch, das Jesse Ball seinem Bruder Abram widmet, der das Down-Syndrom hatte und mit 25 Jahren verstorben ist.
Der dritte Band der von Ela Mutzenbacher und Stefan A. Marx herausgegebenen Buchreihe halbwertszeit widmet sich ganz dem Dialog: Gespräche gegen die Wirklichkeit lässt uns wieder bewusst werden, dass Selbsterkenntnis kein einsamer Akt ist, sondern nur im Gespräch mit anderen stattfinden kann. Es ist längst überfällig, die Welt zu verändern.
Auch um das gesprochene Wort wird es in der von Zita Bereuter und Claudia Czesch herausgegebenen Anthologie zum FM4 Wortlaut gehen: „Ausreden“ ist das diesjährige Thema des seit 20 Jahren stattfindenden FM4 Kurzgeschichtenwettbewerbs, und „jemanden ausreden lassen“ ist genauso gemeint wie „Ausreden erfinden“.
Wer anders könnte einen autobiografischen Text über ein einsames und trauriges Einhorn schreiben als Clemens J. Setz? Unique, das traurige Einhorn wird von der Freundin verlassen, auch mit neuen Freundschaften will es nicht so recht klappen. Immer mehr fühlt es sich fremd in dieser Welt. Karoline Kuttner hat die Geschichte von Unique in eine leuchtend melancholische graphic novella verwandelt.
Glücklichsein ist Bürgerpflicht, Angst und Trauer stören nur das Wirtschaftswachstum. Überwacht wird das allumfassende Glück von einer übermächtigen Gesundheitsbehörde, Problemfälle werden umgehend therapiert. Bim Eriksson zeigt in Baby Blue so einen Problemfall: Betty Pott findet sich in dieser Welt der Glücklichen einfach nicht zurecht. Doch sie lernt in der Therapie eine geheimnisvolle Frau mit Kaninchenmaske kennen, denn es gibt Widerstand gegen die Allmacht des Staates, und der Widerstand ist queer und weiblich!
Was kann das sein, was da am Waldboden im Sonnenlicht so herrlich glänzt und glitzert? Die Elster ist entzückt, aber kennen tut sie dieses Ding nicht, auch der Fuchs ist reichlich verwirrt. Superglitzer. Nele Brönner hat Melanie Laibls fröhlich-quirrligen Text über ein verlorenes Handy mal erzählend gesetzt und mal als Sprechblasen ihren liebenswerten Tieren in den „Mund“ gelegt. Die Waldkulisse ist eine lichte Flut aus Grün und Braun: Noch nie war das Aufeinandertreffen von Natur und Technik schöner!

Sie können die Herbstvorschau 2022 einfach als pdf öffnen.