Seltsame Dinge geschahen im Dorf. Magenhäute wurden als Flaggen gehisst, Vorhäute um Arme gewickelt und die losen Frauen schlackerten mit ihren Kehlen im Wind. Die Großmutter und die Mutter hielten Wache über die Bräuche im Dorf. Sie führten Aufgaben aus, die bald auf eine junge Frau übertragen werden sollten. Was es zu bewachen gilt, bleibt verborgen. Die Protagonistin versucht, den Klauen dieser bizarren Dorfgemeinschaft durch die Flucht in die Stadt zu entkommen, aber auch dort ist sie mit einer Gesellschaft konfrontiert, die heillos um ihren Zusammenhalt ringt.
Greta Lauer hat mit Gedeih und Verderb einen Text über Schmerzen geschrieben. Schmerzen, die in der Familie und der Gemeinschaft über Generationen unter der Hand weitergereicht werden und die durch tägliche Riten, durch Sprache und durch Sexualität am Leben bleiben. Das Erinnern und Erzählen der Protagonistin ist der Versuch, diese Gewalt mit Sprache begreifen zu können.
Lauers eigene Sprache ist dabei hart und lyrisch und vorwärtsdrängend und erzeugt durch Rhythmus und Musikalität eine Art Bann, der sich erst am Ende auflösen soll.
Greta Lauer erzählt mit klaren Sätzen, wie es letztlich eine völlig andere Sprache braucht, will man als Dorfmensch dem Filz der Vergangenheit entkommen. – Eine typisch kärntnerische Dorfanalyse, könnte man meinen, eingerahmt vom Geometrischen Heimatroman des Gert Jonke und dem Menschenkind des Josef Winkler. Und die Erzählkraft der Greta Lauer kann mit den beiden Großen durchaus mithalten.
– Helmut Schönauer, BIP –
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Autorenfoto: Nikolaus Müller
Buchfotos: Luftschacht