Mario Wurmitzers Debütroman Im Inneren des Klaviers ist ein Märchen. Es gibt eine Prinzessin, einen König, eine Herrschar an Soldaten und einen geheimnisvollen Wald. Die Menschen sitzen an Webstühlen, hüten Schafe oder arbeiten wie bereits deren Vorväter als Fährmänner. Aber so manches scheint den Gesetzmäßigkeiten eines Märchenlandes zu widersprechen. Der gesetzlose Einäugige, der im Wald umherstreift, ist kein Bösewicht, und die Prinzessin, die vor den Soldaten des Königs auf der Flucht ist, ist selbst wild und unangepasst und hat es nicht nötig, von einem Edelmann gerettet zu werden.
Ein Königreich der Repression und Einsamkeit
Das Leben in diesem Königreich hinterlässt jedoch seine Spuren. Die Briefe, die die Prinzessin an ihre tote Schwester schreibt, sind ihr Versuch, in einer einsamen und isolierten Welt, wo die Nachbarn zu den Ohren des Königs werden, mit ihren seelischen Wunden umzugehen. Die Gesellschaft ist krank. Die Menschen sind verstockt oder verrückt, oder beides, an eine Ausflucht aus dem von oben herab bestimmten Leben glaubt keiner mehr. Trotz des omnipräsenten Misstrauens in den Köpfen und Herzen der Menschen, tut sich die Prinzessin mit dem jungen Mann aus dem Wald zusammen, gemeinsam wollen sie aus dem repressiven Königreich flüchten.
Ein poetisch, keckes und experimentierfreudiges Debüt
Im Inneren des Klaviers ist ein erfrischendes Debüt. Scheint Wurmitzer zunächst eine verträumte, mittelalterliche Märchenwelt zu schildern, blitzt in seiner Sprache doch immer wieder eine Gegenwart durch, die diese Märchenwelt mit unserer heutigen paart und die keck und experimentierfreudig ist. Wurmitzer beweist, dass märchenhafte Poetik einen kontrastreichen Nährboden für popkulturelle Anspielungen und eine Verhandlung der alltäglichen Wirren der modernen Welt liefern kann.
> Alle Fotos: Andreas Scheriau