Neu: Philipp Röding, “20XX”
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Als Vorspeise lieber einen Hummersalat à la francaise oder eine pfannengeröstete Fois-gras-Muschel an Passionsfruchtsauce? Auch pochiertes Entenei mit Kürbis und Steinpilzen wäre zu haben, oder ein Lupinen-Sellerie-Pfannkuchen mit Radieschen, ein Bauernei im Glas mit Rahm und gehobelter Gänseleber. Dazu ein Crémant-Vitteaut-Alberti aus der Bourgogne? Jan und Claudia verbringen ihre Tage mit merkwürdigem Sex und noch merkwürdigeren Mahlzeiten in einem Wellnesshotel irgendwo zwischen Liechtenstein und Österreich. Julius sucht seine Schwester Nora über soziale Netzwerke, er hat sie vor Jahren aus den Augen verloren, jetzt will er ihr vom Tod der Mutter berichten, die im Gefängnis unter ungeklärten Umständen verstorben ist. Nora lebt wohlstandsgelangweilt mit Karim zusammen, sie hat viel Geld mit Weinboutiquen gemacht, er mit Computerspielen.

Neugierde, dachte Claudia, ist auch nur
eine sehr spezielle Form von Unglück.

Rödings Figuren bewegen sich durch eine gefährlich surrende Gegenwart, sie sind gleichermaßen überspannt wie kontrolliert. Man sieht viel fern, das Internet ist überall. Während im Hintergrund schon wieder irgendein Nahost-Konflikt lautlos über den Bildschirm zieht, versucht man sich verzweifelt in unverbindlicher Kommunikation. Alles ist existenziell, nichts ist wichtig. “20XX” ist gleichermaßen erschreckend komisch wie grandios traurig und die Held*innen sind umsponnen von einer virtuos entworfenen Verlorenheit.

 

 

Zum Buch: 20XX
Cover von Matthias Kronfuss studio
Autorenfoto: Dina Lucia Weiß
Alle Buchfotos: Luftschacht