Mit Worten das wiederzugeben, was Regina Hofer in ihrem Graphic Novel Debüt kunstvoll über hundert Seiten entspinnt, kommt einem Selbstmordversuch in einer Gummizelle gleich. Text und Bild separat betrachtet sind an sich schon wunderbar geglückt, doch wie beides in Kombination funktioniert ist herausragend. Blad erzählt semi-autobiographisch vom Leben mit Bulimie, die Poetik die Regina Hofer dabei zutage fördert, entwickelt sich aus und mit dem Krankheitsbild. So wie der wohl wirkungsvollste Satz der Graphic Novel “Ich habe Hunger und Angst vor dem Essen” verhält sich auch die Beziehung zwischen Text und Bild. Mal gehen sie eine harmonische Symbiose ein, dann wieder stoßen sie sich ab – nach der Magersucht kommen die Essanfälle.
Auf der Spurensuche nach dem Ursprung einer Essstörung
Die Mutter war jung und hatte wenig Zeit, der Vater machte sich nur wenig Gedanken über die Kindererziehung und so war die Großmutter zuständig, darauf achtzugeben, dass die Kinder ja genug zu Essen bekamen. Im Nachhinein lässt sich hier bereits der Ursprung des Übels verorten. In der Rekonstruktion der Ereignisse tauchen die Protagonisten aus ihrer Kindheit als blechbüchserne Roboter und persische Monarchinnen auf, der Gefühlsverlust des eigenen Körpers lässt die Protagonistin zu einem Affen werden, Schutz findet sie im Astronautenanzug und so verschwimmen die Ereignisse mit Erinnerungen, Gedanken und Assoziationen.
Sehnsucht nach einer neuen Persönlichkeit
Die junge Protagonistin muss weg, lässt das Landleben mit den Kadaverbergen der Jagdgesellschaft und den gleichaltrigen Gesprächspartnern zurück, die Kunst für Hieroglyphen halten, die so unnötig sind wie die antiken Pyramiden. Dass das Frauenbild auch in der Stadt und auf der Kunstuni kein ausdifferenziertes ist, ihr Essverhalten nun vollkommen unkommentiert bleibt und die Beziehung zum Vater sich zunehmend verschlechtert und schließlich einen traurigen Höhepunkt erreicht, machen die Träume eines Neuanfanges zunichte. Und es wird klar, dass sie sich dem Ganzen stellen muss, soll sich wirklich etwas dauerhaft ändern. Regina Hofers Blad ist poetisch, ehrlich und hoch ästhetisch.
> Alle Fotos: Andreas Scheriau