In Roman Israels neuem Roman Flugobst wimmelt es von Charakteren, die ihre eigenen Geschichten zu erzählen haben und die doch alle durch den wahren Protagonisten der Erzählung, dem fiktiven Dorf Klarabach, verknüpft sind. Angesiedelt an der deutsch-tschechischen Grenze in den frühen Jahren des Mauerfalls, spiegelt sich in Klarabach das Spannungsverhältnis zwischen Ost und West, zwischen Tradition und Globalisierungsdrang, zwischen Perspektivenlosigkeit und dem Schein eines Neuanfanges.
Mauerfall, Perspektivenlosigkeit und Größenwahn
Flugobst spannt ein Netz aus Erzählsträngen, die zwischen den Jahren 1990 und 1994 hin- und herspringen. Dabei zirkeln diese Stränge abwechselnd um Wolf Czeschlak und die Anfänge des Umbruches in Klarabach, sowie um dessen Sohn Andrej, der die frühe Saat des Wandels erntet. Die alten Agrarflächen sind Wohnsiedlungen gewichen, man lebt am Nordpol und versucht sich eine eigene Idylle in der Schrebergartenkolonie Paradies aufzubauen, geht auf Partnersuche in die hiesige Disco, dem Multiversum, und ab und an gönnt man sich auch den Besuch beim Chinesen Große Mauer.
Doch es scheint nie genug zu sein: Es mangelt an Liebe, an Mitgefühl, an Verständnis, an Perspektiven, an Arbeitsplätzen … und vor allem an Geld. Dass Wolfs Paradiesfruchtstand Banana Joe den wachsenden Ansprüchen nicht gerecht werden kann, veranlasst ihn dazu, sich “beruflich umzuorientieren”, die Katastrophe allerdings ist vorprogramiert …
tragische Schicksale, skurrile Figuren und viel Herz
Roman Israel lässt seine Figuren aneinander vorbeileben, sie geraten aneinander und gehen fremd, wahre Nähe kommt auch dabei nicht auf. Dabei findet Israel immer einen Platz für die komischen Seiten des Lebens, und auch das Tragische mündet in Zuversicht. Mit blauen Augen und blutigen Nasen schließt man sich schließlich in die Arme und am Ende fügen sich die klug durchkomponierten Einzelschicksale geschickt zu einem Gesamtbild.
> zum Buch
> Covergestaltung: Inga Israel
> alle Fotos: Andreas Scheriau