Brandhagen, ein norddeutsches Dorf in den späten 1960er und 1970er Jahren: Hier herrscht eine Welt der selbstzufriedenen Abgeschlossenheit, in der die Alteingesessenen das Sagen haben und sich mit stoischer Arroganz gegen jeden Einfluss von außen wehren. Der Ich-Erzähler wächst in einer Familie auf, die von exzentrischen Frauen regiert wird, der geliebten, aber tyrannischen Großmutter, der rechthaberischen Tante Alma, dem Hausmädchen Erdmute. Es ist eine Welt, in der die verblichene Bürgertradition gegen alle Zeitströmungen und gegen jeden wirtschaftlichen Abstieg hochgehalten wird. Doch mit der Rückkehr von Tante Lise und ihrem unehelichen Kind Krystina treten erste Risse in diese Fassade. Lise, die vor langem aus dem Haus getrieben wurde, stört die Familienharmonie. Mit ihr hält eine neue Welt in Brandhagen Einzug, die sich über die alte Moral hinwegsetzt.
Hinrich von Haarens Entwicklungs- und Gesellschaftsroman steht stellvertretend für das, was wir alle erleben, wenn der Moment der Kindheit bricht: die erste Erfahrung des Betrugs, des Selbstbetrugs, der Trauer, des Schmerzes. Ein feinfühliges und mitreißendes Zeitporträt, das mittels dieser
Grunderfahrungen über seine Zeit hinausweist.
“Von Haaren erlaubt seinem Ich-Erzähler eine eigenwillige, distanzlose Sprache. Mal scheint sie hastig erregt mit ihm davon zu galoppieren, mal stockt sie und tritt auf der Stelle, wenn die deprimierende Ausweglosigkeit des Dorfkosmos besonders schwer auf den schmalen Schultern lastet. Unbedarft und grenzenlos neugierig erkundet der schmächtige, eigenbrötlerische Erzähler alles, was das dröge Brandhagen zu bieten hat.” (Cornelia Fiedler, SZ)
“Eines der Bücher des Jahres […] feinsinnig und humorvoll.” (WDR 5, Bücher)
“Brandhagen ist ein romantischer Roman über die Kleinodien der Lebens, die in einem Dorf der 1980er Jahre frei herumliegen. Die Entwürfe der Bewohner sind romantisch, aber das Leben schleift sie dann alle ab, bis sie unauffällig, unpolitisch und rund in ihren Kavernen des Daseins liegen. Ein Roman über eine zerfurchte Welt, über die eine glatte Fläche der Konvention gespachtelt ist.” (Helmuth Schönauer, Lesen in Tirol)
“Dass es zudem gelegentlich ausgesprochen komisch zugeht – so in dem Porträt der bigotten Grundschullehrerin Frau Trautwein – ist nicht der geringste Anreiz diese bemerkenswerte Kindheitsrecherche ein zweites Mal zu lesen.” (Joachim Feldmann, Am Erker)
“Alles geschieht ohne billiges Pathos und ohne Rührseligkeit. (…) Es ist schön, dieses Buch zu lesen.” (Lothar Struck, Glanz & Elend)
“Die Spießigkeit der späten 1960/70er-Jahre lässt Hinrich von Haaren seinen Ich-Erzähler wortreich und mit feiner Ironie beschreiben.” (Britta Helmbold, Halterner Zeitung)
Hinrich von Haaren, geb. 1964 in Bremerhaven, lebt in London. Er studierte Sinologie und Germanistik in Berlin. Seine Hörspiele wurden bei Radio Bremen und im Ostdeutschen Rundfunk gesendet, dessen Hörspielpreis er auch erhielt.
Titel bei Luftschacht: Brandhagen (Roman, 2012), Die Überlebten (Erzählungen, 2010)
Through his attempt to escape the stifling morality and the unquestioned rituals of family and village residents, the narrator becomes an observer and archivist of the decline.
Brandhagen, a North German village in the late 1960s and 1970s: It is a world dominated by self-satisfied insularity, in which the long established residents are in charge and resist all outside influence with stoic arrogance. The first person narrator grows up in a family ruled by eccentric women: by the beloved but tyrannical grandmother, the self-opinionated Aunt Alma and the maid Erdmute. It is a world in which the faded traditions are held up above all new trends and ideologies and against economic decline. However, upon the return of Aunt Lise and her illegitimate child Krystina, the first cracks begin to show. Lise, who had been thrown out of the family home a long time ago, disrupts the familial harmony. A new world arrives in Brandhagen with her – a world which overrides the old moral standards.
Hinrich von Haaren’s development and social novel stands for that which we all experience when childhood is over: the first experience of deceit and self-deceit, of grief and pain. A sensitive and thrilling portrait of an era which, due to these basic experiences, is also timeless.
